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Altern als aktiver Prozess: Entwicklungspsychologische Zugänge zum hohen Lebensalter

ENTWICKLUNG, Greis*in
13. Juni 2025
admin

Theorien wie Baltes’ Modell der Selektion, Optimierung und Kompensation

. Einleitung

Das Altern ist ein komplexer, multidimensionaler Prozess, der weit über den bloßen physischen Verfall hinausgeht. Moderne entwicklungspsychologische Forschung betont zunehmend die aktive Rolle, die ältere Menschen bei der Gestaltung ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung einnehmen können (Baltes & Baltes, 1990). Das hohe Lebensalter ist nicht nur von Verlusten geprägt, sondern auch von Potenzialen und Chancen zur Selbstentfaltung. Dieser Essay beleuchtet die theoretischen Konzepte und empirischen Erkenntnisse zu aktivem Altern, analysiert die Wechselwirkungen zwischen körperlicher und kognitiver Entwicklung und zeigt praxisorientierte Wege zur Förderung eines vitalen Alters auf.


2. Theoretische Grundlagen des aktiven Alterns

2.1 Das Konzept des aktiven Alterns

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert aktives Altern als „Prozess der Optimierung von Chancen für Gesundheit, Partizipation und Sicherheit, um die Lebensqualität im Alter zu verbessern“ (WHO, 2002). Baltes und Baltes’ Modell der „Selektiven Optimierung mit Kompensation“ (1990) beschreibt, wie ältere Menschen Ressourcen gezielt einsetzen, um funktionale Verluste auszugleichen und Entwicklungspotenziale auszuschöpfen.

2.2 Entwicklungspsychologische Perspektiven

Die Lebensspannenperspektive sieht Entwicklung als lebenslangen Prozess, der durch Gewinn- und Verlustphasen geprägt ist (Baltes, 1987). Dabei steht die Plastizität im Mittelpunkt: Auch im hohen Alter sind Veränderungen und Lernprozesse möglich (Lindenberger & Lövdén, 2019).


3. Körperliche Entwicklung im hohen Alter

3.1 Physiologische Veränderungen

Typische altersbedingte Veränderungen betreffen das Herz-Kreislauf-System, die Muskelmasse, das Immunsystem und das sensorische System (Lutz & Frey, 2018). Die motorische Leistungsfähigkeit nimmt ab, was das Sturzrisiko erhöht (Rubenstein, 2006).

3.2 Förderung der körperlichen Vitalität

Regelmäßige Bewegung – insbesondere Ausdauer, Kraft- und Gleichgewichtstraining – verzögert den funktionellen Abbau und fördert das Wohlbefinden (Paterson & Warburton, 2010). Studien zeigen, dass selbst hochbetagte Personen von gezieltem Training profitieren (Chodzko-Zajko et al., 2009).


4. Geistige Entwicklung im hohen Alter

4.1 Kognitive Veränderungen

Während Verarbeitungsgeschwindigkeit und episodisches Gedächtnis im Alter häufig abnehmen, bleiben semantisches Wissen und emotionale Regulation stabil oder verbessern sich sogar (Salthouse, 2010; Carstensen et al., 2011). Die „kognitive Reserve“ wirkt als Schutzmechanismus gegen Demenz (Stern, 2009).

4.2 Förderung kognitiver Gesundheit

Mentales Training, soziales Engagement und eine abwechslungsreiche Umwelt tragen zur Erhaltung kognitiver Funktionen bei (Hertzog et al., 2009). Digitale Medien und interaktive Lernangebote eröffnen neue Zugänge zur geistigen Aktivierung (Mahncke et al., 2006).


5. Wechselwirkungen zwischen geistiger und körperlicher Gesundheit

Körperliche Aktivität fördert nicht nur die physische Gesundheit, sondern wirkt sich positiv auf die Neurogenese und neuronale Plastizität aus (Kramer & Erickson, 2007). Ebenso begünstigt geistige Aktivität das Wohlbefinden und die Motivation zur Bewegung (Seeman et al., 2011). Ein integrativer Ansatz ist daher essenziell.


6. Kritische Reflexion

6.1 Grenzen und Herausforderungen

Soziale Ungleichheiten, chronische Erkrankungen und altersbedingte Diskriminierung limitieren die Möglichkeiten aktiven Alterns (Hank & Erlinghagen, 2010). Zudem wird das hohe Alter oft stereotypisiert, was psychische Belastungen verstärken kann (Levy, 2009).

6.2 Zukunftsperspektiven

Eine altersgerechte Gesellschaft benötigt infrastrukturelle, soziale und politische Maßnahmen, die individuelle Autonomie und Teilhabe ermöglichen (Walker, 2009).


7. Praktische Übungen zur Förderung aktiven Alterns

  1. Bewegung im Alltag:
    Spazierengehen, Gymnastik und Tanzen, angepasst an individuelle Möglichkeiten.
  2. Kognitive Aktivitäten:
    Kreuzworträtsel, Sprachenlernen oder Musizieren.
  3. Soziale Interaktion:
    Teilnahme an Vereinen, Seniorengruppen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten.
  4. Achtsamkeitsübungen:
    Meditation und Atemtechniken zur Stressreduktion.
  5. Ernährung:
    Ausgewogene Kost mit Fokus auf antioxidative Lebensmittel.

8. Fazit

Altern ist ein aktiver, gestaltbarer Prozess, der geistige und körperliche Entwicklung im hohen Alter eng miteinander verknüpft. Die entwicklungspsychologische Forschung unterstreicht die Plastizität und die Ressourcen älterer Menschen, fordert jedoch auch ein gesellschaftliches Umdenken, um Barrieren abzubauen und Lebensqualität zu fördern. Durch gezielte Förderung von Bewegung, kognitiven Aktivitäten und sozialer Teilhabe kann das Altern nicht nur bewältigt, sondern als neue Phase der Potenzialentfaltung erlebt werden.

ThemaQuelle
Aktives Altern – WHOWHO (2002)
Baltes’ Selektive Optimierung mit KompensationBaltes & Baltes (1990)
Lebensspannenperspektive & PlastizitätBaltes (1987); Lindenberger & Lövdén (2019)
Körperliche Veränderungen und TrainingLutz & Frey (2018); Paterson & Warburton (2010); Chodzko-Zajko et al. (2009)
Kognitive Veränderungen und ReserveSalthouse (2010); Carstensen et al. (2011); Stern (2009)
Förderung kognitiver GesundheitHertzog et al. (2009); Mahncke et al. (2006)
Wechselwirkungen Geist-KörperKramer & Erickson (2007); Seeman et al. (2011)
Soziale Faktoren und KritikHank & Erlinghagen (2010); Levy (2009); Walker (2009)
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