Im Folgenden findest du zu den im Essay genannten Bereichen jeweils konkrete Praxisideen, ausformulierte Übungsvorschläge und Hinweise zur Umsetzung, die sich besonders für den pädagogischen Alltag mit Kindern im Alter von 3–6 Jahren eignen. Die Übungen basieren auf den Prinzipien der alltagsintegrierten Bildung, des entdeckenden Lernens und der Neugierförderung – kindgerecht, offen, entwicklungsfördernd und emotional eingebettet.
1. Alltagsintegrierte Bildung – Bildungssituationen im Alltag erkennen und nutzen
🟢 Übung: “Mathematik beim Frühstück”
Ziel: Zahlenverständnis, Sortieren, Mengen, Sprache
Alter: ab 3 Jahren
Materialien: Frühstückstisch, Besteck, Geschirr, Lebensmittel
Durchführung:
- Kinder decken gemeinsam den Tisch: „Wie viele Teller brauchen wir?“ – „Kannst du für jeden einen Löffel holen?“
- Anschließend sortieren sie z. B. Obst nach Form oder Farbe: „Welche Frucht ist rund? Welche ist gelb?“
- Beim Verzehr können Vergleiche angeregt werden: „Ist dein Stück Brot größer oder kleiner als meines?“
Pädagogische Haltung: Nicht belehren, sondern im Dialog neugierige Fragen stellen. Kindliche Vorschläge und Beobachtungen aufgreifen.
2. Entdeckendes Lernen – selbsttätig forschen und ausprobieren
🟡 Übung: “Was schwimmt – was sinkt?”
Ziel: Naturwissenschaftliches Denken, Hypothesenbildung, Beobachtungsfähigkeit
Alter: ab 4 Jahren
Materialien: Schüssel mit Wasser, verschiedene Gegenstände (Stein, Holzstück, Blatt, Korken, Löffel, Gummibärchen, Schlüssel etc.)
Durchführung:
- Kinder dürfen vorab Vermutungen äußern: „Was denkst du – bleibt der Stein oben oder geht er unter?“
- Die Kinder testen nacheinander die Gegenstände im Wasser.
- Die Ergebnisse werden gemeinsam sortiert: „Was ist bei den Dingen, die schwimmen, gleich?“
Vertiefung: Kinder gestalten eine Tabelle oder kleben die Gegenstände auf ein Plakat (schwimmt / sinkt).
Buchimpuls: → Anregung aus Bruner (1961): Lernen über Versuch und Irrtum, strukturiertes Erkunden.
🟡 Übung: “Luft sichtbar machen”
Ziel: Naturphänomene erkennen, physikalisches Grundverständnis, Sprache
Alter: ab 5 Jahren
Materialien: Plastiktüten, Strohhalme, Papierschlangen, Seifenblasen, Kerze
Durchführung:
- Die Kinder untersuchen verschiedene Wege, wie sie Luft „sehen“ oder spüren können:
→ Papierschlange bewegt sich im Wind
→ Plastiktüte wird mit Luft gefüllt
→ Kerzenflamme bewegt sich
→ Seifenblasen fliegen
Gesprächsimpuls: „Wir sehen die Luft nicht – aber woran merken wir, dass sie da ist?“
Vertiefung: Kinder malen oder beschreiben ihre Erfahrungen.
3. Neugierförderung – Kinderfragen ernst nehmen und gemeinsam forschen
🔵 Übung: “Frage der Woche”
Ziel: Fragen entwickeln, gemeinsam recherchieren, Sprache und Sachwissen fördern
Alter: ab 4 Jahren
Materialien: Plakat „Unsere Forscherfrage“, Bücher, Bilder, eventuell Tablet zur unterstützenden Bildrecherche
Durchführung:
- Montag: Ein Kind darf eine Frage stellen („Warum sind Wolken weiß?“).
- Die ganze Woche wird dieser Frage gewidmet. Jeden Tag ein Aspekt:
- Dienstag: Beobachten
- Mittwoch: Bilderbücher oder Experimente
- Donnerstag: Gespräch mit Expertin oder Eltern
- Freitag: Gemeinsames Plakat oder Erzählrunde
Didaktische Grundlage: → Silvia & Kashdan (2009) – Neugier als Basis für selbstmotiviertes Lernen.
Vertiefung: Kinder dokumentieren im Forscherheft oder basteln eine Collage.
4. Ergänzende Material- und Raumimpulse für die Kita-Praxis
🧩 Forscherecke einrichten
Ein Bereich im Gruppenraum mit vielfältigem, offenem Material:
- Lupen, Spiegel, Taschenlampen
- Naturmaterialien: Zapfen, Steine, Erde, Federn
- Technisches Material: Zahnräder, alte Uhren, Werkzeuge
- „Offenes Ende“: Kinder entscheiden, was sie untersuchen
Pädagogische Aufgabe: Kein Arbeitsblatt – sondern Raum für Fragen wie:
„Was möchtest du heute untersuchen?“ – „Was fällt dir an diesem Stein auf?“
Quelle: → Schäfer (2011), Bildung beginnt mit der Geburt
📚 Bücher zur Förderung von Forschung und Neugier
Titel | Autor | Thema |
---|---|---|
Die kleinen Forscher entdecken die Welt | Verlag Herder | Alltagsexperimente mit Kita-Kindern |
Kinder entdecken Naturphänomene | Reinhard Witt | Naturwissenschaftliche Frühbildung |
Rettet die Neugier | Salman Ansari | Bildungsphilosophie zur Neugierförderung |
Bildung und Lernen in der frühen Kindheit | Gerd Schäfer | Theoretische Grundlagen frühkindlicher Bildung |
Fazit (praktisch ergänzt)
Frühkindliche Bildung gelingt dann besonders gut, wenn sie nicht „belehrt“, sondern Räume schafft, in denen Kinder selbst entdecken, staunen, scheitern, lachen und hinterfragen dürfen. Kinder brauchen keine standardisierten Programme, sondern Menschen, die mit ihnen gemeinsam neugierig bleiben. Pädagog*innen können durch achtsames Beobachten, kluge Fragen, anregende Materialien und emotionale Sicherheit Bildungsprozesse begleiten, die tiefgreifend und nachhaltig wirken.