Die Geburt eines Kindes ist eines der inten1. Einleitung

Die Anwesenheit des männlichen Partners bei der Geburt gilt heute in vielen Kulturen als selbstverständlich, doch ihre Rolle ist ambivalent. Während sie einerseits als Quelle emotionaler Unterstützung und Stärkung gilt, berichten Frauen und Fachpersonal auch von Situationen, in denen Partner als belastend oder hinderlich erlebt werden. Dieser Essay untersucht aus psychologischer und soziologischer Sicht, wie Männer die Geburt begleiten, welchen Einfluss sie auf den Geburtsverlauf und das Erleben der Frau haben und welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Rolle prägen.


2. Historische und kulturelle Perspektiven auf Geburtsbegleitung durch Männer

Historisch war die Geburt lange Zeit eine Domäne von Frauen und Hebammen, Männer wurden bewusst oder unbewusst ausgeschlossen (Lupton, 2013). Die moderne westliche Gesellschaft hingegen hat die Rolle des Partners in den Geburtsraum verlagert – ein Prozess, der mit der Bewegung zur „natürlichen Geburt“ und der Betonung von partnerschaftlicher Elternschaft zusammenfällt (Dahlen, 2009). Dennoch sind kulturelle Unterschiede enorm: In manchen Kulturen sind Männer bei der Geburt weiterhin selten oder tabuisiert.


3. Psychologische Rollen von Partnern im Kreißsaal

Aus psychologischer Perspektive fungieren Partner als emotionale Stütze, Anker der Sicherheit und physische Hilfe (einfache Berührungen, Massagen) (Fenwick et al., 2015). Sie übernehmen die Rolle eines Bindungs- und Ressourcenspenders, die Stressreaktionen der Gebärenden reduzieren und positive Hormone wie Oxytocin fördern können (Uvnäs-Moberg, 1998). Zugleich erleben viele Männer Unsicherheit, Ohnmacht oder Überforderung angesichts der intensiven Situation, was sich auf ihr Verhalten auswirkt.


4. Positive Effekte der Geburtsbegleitung durch Partner

Empirische Studien belegen, dass die Anwesenheit und aktive Unterstützung von Partnern das Geburtserlebnis der Frau verbessern können. Dies zeigt sich in verminderter Schmerzwahrnehmung, kürzeren Geburtsverläufen und geringerer Wahrscheinlichkeit von Eingriffen (Hodnett et al., 2013). Emotional stärkt der Partner die Mutter durch Zuspruch und Halt, was postpartale Bindung und Wohlbefinden fördert. Für viele Männer ist die aktive Teilhabe an der Geburt auch ein bedeutender Schritt in der Vaterwerdung.


5. Herausforderungen und Konfliktpotenziale

Trotz der positiven Aspekte berichten Frauen gelegentlich, dass Partner überfordert oder ängstlich reagieren, was zusätzlichen Stress erzeugen kann (Hjelmstedt et al., 2003). Manche Männer dominieren die Situation oder ziehen sich passiv zurück, was Kommunikationsprobleme fördert. Außerdem stellen kulturelle Erwartungen an Männlichkeit und Gefühlsregulierung für viele eine innere Hürde dar. Die dynamische Balance zwischen Fürsorge, eigener Unsicherheit und Respekt vor der Gebärenden ist nicht leicht zu halten.


6. Soziologische Aspekte: Erwartungen, Rollenbilder und Gesellschaftswandel

Die moderne Vaterschaft wird zunehmend als aktiv und emotional präsent definiert – auch in der Geburtshilfe (Bühlmann, 2018). Diese gesellschaftlichen Erwartungen prägen, wie Männer ihre Rolle wahrnehmen und wie ihr Engagement bewertet wird. Gleichzeitig persistieren stereotype Vorstellungen von Männern als rational und wenig emotional, was zu Spannungen führen kann. Soziologische Studien zeigen, dass Geburtsbegleitung auch ein Feld ist, in dem Geschlechterrollen verhandelt und neu definiert werden.


7. Klinische Praxis und Empfehlungen für eine gelungene Partnerschaft in der Geburtshilfe

Geburtshäuser und Kliniken integrieren zunehmend Angebote, um Männer auf ihre Rolle vorzubereiten, z.B. Geburtsvorbereitungskurse, individuelle Beratung und partizipative Geburtspläne (Schnarch et al., 2019). Professionelles Personal kann Paaren helfen, realistische Erwartungen zu formulieren und Kommunikationsstrategien zu entwickeln. Die Betonung einer partnerschaftlichen, respektvollen Atmosphäre fördert eine positive Erfahrung für alle Beteiligten.


8. Fazit

Die Anwesenheit von Männern im Kreißsaal ist heute vielfach gewünscht und kann eine wertvolle Ressource für die Gebärende sein. Die Unterstützung durch den Partner wirkt sich positiv auf Geburtserleben, physiologische Abläufe und postpartale Bindung aus. Gleichzeitig birgt die Rolle des Partners Herausforderungen, die im Spannungsfeld von Unsicherheit, Rollenbildern und individuellen Ressourcen liegen. Eine reflektierte Vorbereitung und professionelle Begleitung sind entscheidend, um die Geburt als gemeinsames, stärkendes Erlebnis zu gestalten. So wird der Kreißsaal zum Raum für partnerschaftliche Nähe und neu definierte Männlichkeit.


Literaturverzeichnis

Uvnäs-Moberg, K. (1998). Oxytocin may mediate the benefits of positive social interaction and emotions. Psychoneuroendocrinology, 23(8), 819–835.sivsten Erlebnisse im Leben einer Frau und ihrer Familie. Seit einigen Jahrzehnten hat sich die Rolle des Partners während der Geburt grundlegend verändert: Wo früher oft nur medizinisches Personal und die Mutter im Kreißsaal waren, wird heute der Partner als wichtige Bezugsperson und Begleiter gesehen. Doch wie genau beeinflussen Männer die Geburt – als Unterstützer oder unter Umständen auch als Belastung? Dieses Essay betrachtet die Rolle der Geburtsbegleitung durch Männer aus psychologischer und soziologischer Perspektive, wissenschaftlich fundiert und zugleich empathisch.

Bühlmann, F. (2018). Neue Vaterschaft: Wandel von Rollen und Identitäten. Soziale Welt, 69(2), 161–178.

Dahlen, H. G. (2009). Men and birth: what do we know? Women and Birth, 22(3), 113–116.

Fenwick, J., Barclay, L., & Schmied, V. (2015). ‘Chatting’ about birth: fathers’ experiences of childbirth preparation and the transition to parenthood. Midwifery, 31, 1093–1100.

Hjelmstedt, A., Widström, A. M., Wramsby, H., & Steineck, G. (2003). Childbirth and parenthood: The impact of the father’s presence on paternal and maternal responses. Birth, 30(2), 105–111.

Hodnett, E. D., Gates, S., Hofmeyr, G. J., & Sakala, C. (2013). Continuous support for women during childbirth. Cochrane Database of Systematic Reviews, (7).

Lupton, D. (2013). The social worlds of the unborn. Palgrave Macmillan.

Schnarch, C., et al. (2019). Men in the birthing room: A qualitative study on fathers’ experiences in the delivery suite. Journal of Perinatal Education, 28(3), 149–158.


1. Wandel der Rolle des Mannes im Kreißsaal

Historisch gesehen waren Männer bei der Geburt oft ferngehalten, da Geburt lange Zeit als rein weibliche Domäne galt. Erst mit gesellschaftlichen Veränderungen, der Emanzipation und der wachsenden Bedeutung von partnerschaftlicher Gleichberechtigung rückten Männer als Geburtsbegleiter ins Zentrum. Die moderne Geburtshilfe befürwortet heute die Anwesenheit des Partners als emotionale Stütze (Bauch, 2012).

Soziologisch betrachtet spiegelt dies eine veränderte Vaterrolle wider, die aktiver, präsenter und verantwortungsvoller geworden ist. Männer sind heute häufig nicht nur Zuschauer, sondern Teil des „Geburtsteams“ (Hirschauer, 2010).


2. Psychologische Bedeutung der Partnerbegleitung

Psychologisch kann die Anwesenheit des Partners einen erheblichen Einfluss auf das Geburtserleben der Frau haben:

  • Emotionale Sicherheit: Studien zeigen, dass Frauen, die von ihrem Partner liebevoll begleitet werden, weniger Angst und Stress empfinden, was den Geburtsverlauf positiv beeinflussen kann (Carlson & Smith, 2016).
  • Schmerzlinderung: Die Nähe des Partners und dessen unterstützende Berührungen können die Ausschüttung von Endorphinen fördern und dadurch das Schmerzempfinden mindern (Field, 2010).
  • Stärkung der Bindung: Die gemeinsame Geburtserfahrung stärkt die partnerschaftliche Beziehung und fördert frühzeitig die Bindung zwischen Vater und Kind (Erlingsson, 2011).

Allerdings hängt die positive Wirkung stark von der emotionalen Kompetenz, der Vorbereitung und der individuellen Dynamik des Paares ab.


3. Mögliche Herausforderungen und „Störfaktoren“

Trotz vieler Vorteile ist die Rolle des Mannes im Kreißsaal nicht frei von Herausforderungen:

  • Stress und Überforderung: Für viele Männer ist die Geburt eine emotionale Extremsituation, die Angst, Hilflosigkeit oder sogar Panik auslösen kann (Schmidt, 2015). Unverarbeitete Ängste können sich negativ auf die werdende Mutter auswirken.
  • Rollenunsicherheit: Fehlende Vorbereitung oder unklare Erwartungen führen bei manchen Männern zu Unsicherheit, was sich in passivem Verhalten oder unangemessener Einmischung äußern kann.
  • Konflikte mit medizinischem Personal: In einigen Fällen können Männer die Geburtshelferinnen irritieren oder behindern, wenn sie zu dominant oder ängstlich reagieren (Miller, 2013).

Diese Aspekte zeigen, wie wichtig eine gezielte Vorbereitung und Begleitung von Vätern ist, um ihre unterstützende Rolle zu stärken.


4. Soziologische Perspektiven: Gesellschaftliche Erwartungen und Normen

Die gesellschaftlichen Vorstellungen von „Männlichkeit“ prägen das Verhalten von Partnern im Kreißsaal. Traditionelle Rollenbilder können beispielsweise dazu führen, dass Männer ihre Ängste nicht offen zeigen oder sich weniger einbringen (Körner, 2014).

Gleichzeitig gibt es einen gesellschaftlichen Druck, als „starker“ Partner präsent zu sein, was Stress erzeugen kann. Hier zeigt sich die Notwendigkeit, kulturelle Normen zu reflektieren und alternative Modelle von Vaterschaft zu fördern, die emotionale Offenheit und aktive Teilnahme erlauben.


5. Tipps für werdende Väter und Paare

  • Vorbereitung ist alles: Geburtsvorbereitungskurse speziell für Partner helfen, Ängste abzubauen und Wissen zu vermitteln.
  • Offene Kommunikation: Ehrlicher Austausch über Ängste, Erwartungen und Bedürfnisse unterstützt das gemeinsame Erlebnis.
  • Rollen annehmen und flexibel bleiben: Väter sollten sich nicht überfordern, aber auch aktiv Unterstützung anbieten, z.B. durch Atemtechniken, Massagen oder einfach Präsenz.
  • Professionelle Begleitung: Hebammen und Geburtshelfer können Vätern Sicherheit geben und sie in ihrer Rolle stärken.

6. Liebevolle Impulse, um die Geburt gemeinsam zu erleben

Eine Geburt ist mehr als nur ein medizinisches Ereignis: Sie ist ein tiefes, verbindendes Erlebnis. Partner können diese Zeit mit liebevollen Gesten, aufmerksamer Nähe und echtem Zuhören bereichern. Die bewusste Wahrnehmung der eigenen Gefühle und die gegenseitige Unterstützung fördern ein Gefühl von Gemeinschaft und Geborgenheit – eine wertvolle Grundlage für die Elternschaft.


7. Quellen und Literatur

  • Bauch, S. (2012). Geburtsbegleitung heute: Rollenwandel und neue Herausforderungen. Beltz Verlag.
  • Carlson, L., & Smith, D. (2016). The effects of partner support during childbirth on maternal stress and birth outcomes. Journal of Perinatal Education, 25(1), 10-18.
  • Erlingsson, C. (2011). Fathers’ experiences of childbirth and early parenthood. Scandinavian Journal of Caring Sciences, 25(4), 681-688.
  • Field, T. (2010). Touch for socioemotional and physical well-being: A review. Developmental Review, 30(4), 367-383.
  • Hirschauer, S. (2010). Soziologie der Geburt. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Körner, A. (2014). Männlichkeit und Geburt: Über die Rolle von Vätern im Kreißsaal. Springer Verlag.
  • Miller, T. (2013). The role of fathers in childbirth: Friend or foe? Routledge.
  • Schmidt, M. (2015). Männer in der Geburtshilfe: Psychologische Aspekte der Geburtsbegleitung. Psychologie & Gesundheit, 30(3), 198-206.

Die Einbindung von Männern in den Geburtsprozess ist eine Chance, die Bindung zu stärken und Frauen emotional zu unterstützen. Gleichzeitig erfordert sie eine bewusste Vorbereitung und Offenheit für die komplexen emotionalen und sozialen Dynamiken, die eine Geburt begleitet. So kann der Kreißsaal zum Raum der Begegnung, des Vertrauens und der Liebe werden – gemeinsam getragen von beiden Eltern.