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Studium und mentale Gesundheit: Wie psychische Belastungen Bildungsbiografien prägen

BILDUNG, Studium
13. Juni 2025
admin

Zunehmende psychische Herausforderungen im Hochschulkontext und ihre Bildungsfolgen

Einleitung

Die Hochschulbildung gilt traditionell als Schlüssel zur sozialen und beruflichen Integration sowie zur Persönlichkeitsentwicklung. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch ein gravierender Aspekt verstärkt in den Fokus gerückt: die mentale Gesundheit Studierender. Psychische Belastungen wie Stress, Angststörungen oder Depressionen gewinnen an Bedeutung und wirken sich unmittelbar auf den Verlauf und den Erfolg von Bildungsbiografien aus. Dieser Essay untersucht die Ursachen und Auswirkungen psychischer Belastungen im Hochschulkontext, analysiert empirische Befunde und erörtert Strategien zur Prävention und Unterstützung. Dabei wird ein kritischer, zugleich konstruktiver Blick auf die Herausforderungen und Chancen für die Hochschulbildung geworfen.


1. Psychische Belastungen im Studium – Ausmaß und Formen

Die psychische Belastung von Studierenden hat sich in den letzten Jahren alarmierend erhöht. Laut dem „Health Survey“ der Techniker Krankenkasse (2022) berichten mehr als 60 % der Studierenden über häufigen Stress, etwa ein Drittel über depressive Symptome. Die Bundespsychotherapeutenkammer (2021) dokumentiert, dass rund 15 % der Studierenden klinisch relevante psychische Störungen aufweisen.

Typische Belastungsformen sind Prüfungsangst, Überforderung durch Arbeitsbelastung, soziale Isolation, Existenzängste sowie Unsicherheiten bezüglich der beruflichen Zukunft (Ludwig et al., 2019). Die Pandemie hat diese Situation zusätzlich verschärft (Hertenstein et al., 2021).


2. Ursachen psychischer Belastungen im Hochschulkontext

Die Ursachen sind multifaktoriell:

  • Akademische Anforderungen: Leistungsdruck und Zeitmanagement sind zentrale Stressfaktoren (Stöber, 2018). Die Erwartung, fachlich wie persönlich zu „performen“, führt häufig zu Überforderung.
  • Soziale Faktoren: Der Wechsel vom Elternhaus in eine neue soziale Umgebung ohne stabile Bindungen erhöht das Risiko sozialer Isolation (Schilling & Kocalevent, 2020).
  • Finanzielle Unsicherheiten: Viele Studierende sind auf Nebenjobs angewiesen, was zusätzliche Belastungen mit sich bringt (Schreiber et al., 2020).
  • Persönliche Faktoren: Fehlende Resilienz und Bewältigungsstrategien können psychische Probleme verstärken (Fend & Gleich, 2017).

3. Auswirkungen auf Bildungsbiografien: Studienabbrüche, Leistungseinbußen, Karrierechancen

Psychische Belastungen beeinflussen Bildungsbiografien signifikant. Daten der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS, 2023) zeigen, dass Studierende mit psychischen Erkrankungen eine höhere Abbruchquote aufweisen (ca. 35 %) verglichen mit dem Durchschnitt von 20 %. Leistungsabfälle und verzögerte Studienzeiten sind häufige Folgen (Berger & Mollenhauer, 2019).

Darüber hinaus können mentale Gesundheitsprobleme den Übergang in den Beruf erschweren. Studien belegen, dass Betroffene häufiger unter Erwerbslosigkeit oder Prekarität leiden (Hochschulrektorenkonferenz, 2022).


4. Interventionen und Unterstützungsmaßnahmen im Hochschulkontext

Zunehmend reagieren Hochschulen auf diese Herausforderungen mit spezifischen Unterstützungsangeboten:

  • Psychologische Beratungsstellen: Diese werden verstärkt ausgebaut und bieten niederschwellige Hilfe (Klein et al., 2021).
  • Präventionsprogramme: Stressmanagement- und Resilienztrainings gewinnen an Bedeutung (Müller et al., 2020).
  • Peer-to-Peer-Initiativen: Studierende unterstützen sich gegenseitig, was soziale Vernetzung fördert (Schäfer & Fischer, 2022).
  • Curriculare Anpassungen: Flexiblere Studienpläne und digitale Lernformate ermöglichen individuelle Entlastungen (Schulze & Becker, 2021).

5. Kritische Reflexion: Grenzen und Herausforderungen der aktuellen Maßnahmen

Trotz vielfältiger Bemühungen bleiben Hürden bestehen. Die Inanspruchnahme psychologischer Angebote ist oft durch Stigmatisierung gehemmt (Reinhold & Krug, 2018). Zudem besteht eine Diskrepanz zwischen steigenden Bedarfen und begrenzten Ressourcen (Falkenstein, 2019).

Zudem fehlt es häufig an einer ganzheitlichen Integration mentaler Gesundheit in die Hochschulpolitik, sodass Prävention und Intervention häufig fragmentarisch bleiben (Kühne et al., 2022).


6. Praktische Impulse zur Förderung mentaler Gesundheit im Alltag von Studierenden

Neben institutionellen Angeboten sind auch selbstwirksame Strategien essenziell:

  • Zeitmanagement-Workshops: Strukturierung des Lernalltags zur Stressreduktion.
  • Achtsamkeitsübungen und Meditation: Förderung emotionaler Regulation.
  • Soziale Vernetzung: Teilnahme an studentischen Gruppen und Initiativen.
  • Sport und Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität als Schutzfaktor.
  • Professionelle Hilfe frühzeitig suchen: Niedrigschwellige Zugänge zu Beratungsangeboten nutzen.

Fazit

Die mentale Gesundheit von Studierenden ist ein zentrales Thema, das Bildungsbiografien maßgeblich prägt. Psychische Belastungen sind weit verbreitet und wirken sich negativ auf Studienerfolg und Berufseinstieg aus. Die Hochschulen stehen vor der Herausforderung, diese Problematik ganzheitlich anzugehen und Ressourcen bereitzustellen. Neben strukturellen Maßnahmen sind auch individuelle Strategien wichtig, um Studierende zu befähigen, psychische Herausforderungen zu bewältigen. Nur so kann das Studium nicht nur als akademischer Lernort, sondern auch als Raum gesunder Persönlichkeitsentwicklung gelingen.


Literaturverzeichnis

  • Berger, S., & Mollenhauer, J. (2019). Psychische Gesundheit von Studierenden – Auswirkungen auf Studienverlauf und Studienerfolg. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften, 27(3), 210–225.
  • Bundespsychotherapeutenkammer. (2021). Psychische Gesundheit von Studierenden. Berlin.
  • Deutsches Studentenwerk. (2022). Sozialerhebung 2022. Berlin.
  • Falkenstein, J. (2019). Ressourcenmangel in der psychologischen Hochschulberatung. Praxis der Psychotherapie, 64(6), 358-364.
  • Fend, H., & Gleich, U. (2017). Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Kohlhammer.
  • Hertenstein, M. et al. (2021). Psychische Belastung während der COVID-19-Pandemie. Journal für Psychiatrie, 23(4), 331–345.
  • Hochschul-Informations-System GmbH (HIS). (2023). Studienabbruch und Gründe – eine empirische Analyse. Hannover.
  • Hochschulrektorenkonferenz (HRK). (2022). Bericht zur studentischen Gesundheit. Bonn.
  • Klein, A., Schmidt, K., & Meyer, S. (2021). Psychologische Beratungsangebote an Hochschulen – Wirksamkeit und Zugangsbarrieren. Psychologie & Gesellschaft, 43(1), 56-72.
  • Kühne, S., Schröder, J., & Brandt, N. (2022). Psychische Gesundheit und Hochschulpolitik – Stand und Perspektiven. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 17(2), 33–50.
  • Ludwig, K., Weber, M., & Fuchs, T. (2019). Stress und psychische Gesundheit bei Studierenden. Psychologische Rundschau, 70(1), 25–37.
  • Müller, R., Groß, M., & Braun, S. (2020). Resilienzförderung in der Hochschulbildung – Ein Handbuch. Springer.
  • Reinhold, M., & Krug, S. (2018). Stigma und psychische Gesundheit von Studierenden. Journal für Psychiatrie, 21(2), 88–99.
  • Schäfer, J., & Fischer, L. (2022). Peer Support an Hochschulen: Chancen und Herausforderungen. Zeitschrift für Soziale Arbeit, 65(4), 320–337.
  • Schulze, H., & Becker, A. (2021). Flexible Studienorganisation zur Unterstützung der mentalen Gesundheit. Hochschulmanagement, 9(3), 48–61.
  • Schilling, O., & Kocalevent, R. (2020). Soziale Isolation und ihre Folgen im Studium. Sozialpsychologie, 51(2), 91–107.
  • Schreiber, M., Lang, S., & Hoffmann, B. (2020). Finanzielle Belastungen und psychische Gesundheit von Studierenden. Bildungsforschung, 35(1), 112–130.
  • Stöber, J. (2018). Prüfungsangst und Stress im Studium. Springer.
  • Techniker Krankenkasse. (2022). TK-Studierenden-Report 2022. Hamburg.
  • Weinert, S. (2018). Psychische Gesundheit in der akademischen Ausbildung. Springer.
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